Wie tickt der Kunde digital - 7. PVH-Kongress
09.-10. März 2023 in Köln
Das Programm des 7. PVH-Kongresses am 09. / 10. März 2023 in Köln, der sich mit der Zukunft des Produktionsverbindungshandels (PVH) auseinandersetzt, stand unter dem Motto „Wie tickt der Kunde digital – Kundenbindung im digitalen Zeitalter“. Die Teilnehmer erwarteten neben einer neuen Marktuntersuchung interessante Praxisvorträge von alibaba.com und Soennecken sowie spannende Fachvorträge, die die vertriebliche, kommunikationstechnische und emotionale Aspekte zur Kundenbindung im Fokus hatten. Das Programm finden Sie nebenstehend.
Am Vortag ermöglichten Besichtigungen des Olympia & Sportmuseums, des Schokoladenmuseums oder einer Stadtführung mit Zeitreise ins frühere Köln (TimeRide) interessante Einblicke anderer Art, bevor am Abend beim Get-together im Kölner Brauhaus Sion Netzwerken angesagt war.
Besonderer Dank gebührt den Sponsoren des PVH-Kongresses, die unten aufgeführt sind.
Ausrichter des 7. PVH-Kongresses waren der Zentralverband Hartwarenhandel (ZHH) mit Unterstützung des Fachverbandes des Maschinen- und Werkzeug-Großhandels e.V. (FDM), des Fachverbandes Werkzeugindustrie e.V. (FWI) und des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektroindustrie e.V. (ZVEI).
Am Abend trafen sich rund 210 Personen zum Branchenabend im Früh Sion. Dort wurde ganz analog geredet, gelacht, Kölsch getrunken, gut gegessen und natürlich wurden auch die Partner des PVH 2022 geehrt.
Im Congress Centrum Ost der KölnMesse startete am Samstag dann der 7. PVH-Kongress. Tom Hegermann, zum siebten Mal als Moderator dabei, führte gewohnt kompetent und locker durch den Tag und übergab nach den allgemeinen Einführungsworten Dr. Kellerwessel das Mikrophon.
Der Präsident des ZHH, Dr. Paul Kellerwessel, begrüßte im Namen der vier veranstaltenden Verbände - FWI, ZVEI, FDM und ZHH - die Anwesenden und dankte den Sponsoren, ohne die eine solche Veranstaltung nicht möglich sei. Die letzten Jahre seien eine besondere Herausforderung gewesen. Erst die Einschränkungen durch die Pandemie, dann der Angriffskrieg gegen die Ukraine – beides mit globalen Auswirkungen auf alle Lebensbereiche. Die Kernfrage des Erfolgs sei: Was will der Kunde? Wie erreicht man ihn?
Die erste Antwort gab traditionell Dr. Kai Hudetz, der die neuesten Ergebnisse der weiter fortgeschriebenen Marktstudie vorstellte. Er betonte, dass diese Studie, die er nun schon seit 12 Jahren durchführen dürfe, etwas ganz Besonderes sei. Sie gebe einen 360° Rundumblick auf Handel, Industrie und Handwerk und ermögliche Zeitreihen, da einige Fragestellungen sich immer wiederholten.
„Jammern sei der Gruß des Kaufmannes“, so Dr. Hudetz. Demzufolge seien die Hersteller etwas positiver aufgestellt als der Handel. Ein großes Problem der Hersteller sei aber nach wie vor, dass die Händler ihrer Meinung nach zu wenig über die Produkte wissen, dass zu wenig in Weiterbildung investiert werde. Händler sehen zu 92% die durch das Internet entstandene Preistransparenz als negativ an. Hier müsse man, so Hudetz, mit besonderen Serviceangeboten raus aus der Vergleichbarkeit. Konsumenten hätten noch nie so viele Optionen gehabt wie heute, seien deutlich anspruchsvoller.
In der Kaffeepause wurde über das Gehörte intensiv diskutiert, bevor die weiteren Vorträge das Kundenverhalten weiter aufschlüsselten und Handlungsmöglichkeiten aufzeigten.
Georg Mersmann sprach über Digitalisierung, Home-Office und New York: Chancen oder Zerreißprobe im Bürofachhandel. Er stellte sich und sein Unternehmen kurz vor und erklärte, man würde immer noch nach den Grundsätzen des Firmengründers Friedrich Soennecken arbeiten: Wie kann man Arbeit im Büro besser machen. Bürobedarf sei in Zeiten der fortschreitenden Digitalisierung nicht mehr Papier, Bleistift, Locher und Ordner. Es gibt kein zurück mehr, was einmal digitalisiert sei, bleibe digital. Während der Pandemie verlagerte sich ein großer Teil der Büroarbeit ins Homeoffice, Soennecken reagierte und erweiterte seine Angebotspalette. Heute macht das klassische Sortiment nur noch 50 % aus. Büroausstattungen für zuhause kamen dazu.
Dr. Florian Forster (Country Manager DACH von Alibaba) hielt als nächster seinen spannenden Vortrag. Sein Motto: "Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen." Alibaba, eine in China entstandene Plattform, die anfänglich auf den US-amerikanischen Markt zielte, biete inzwischen in 18 Sprachen weltweit umfassende digitale Lösungen an. Alles könne bestellt und angeboten werden: von einfachen Artikeln bis hin zu komplexen Anlagen, die speziell für einen Nutzer gebaut werden. Alibaba, so Forster, diene dazu, Nachfrage und Angebot zusammenzubringen. Dies gelinge oft binnen weniger Stunden. Wichtige Themen seien Nachhaltigkeit und Sicherheit. Die Plattform biete hier u.a. das Green Certificate und versicherte Bezahl- und Logistikwege.
Der Wirtschaftshistoriker Prof. Dr. Klemens Skibicki erklärte zuerst, warum ein Historiker für die Fragestellung "Kundenorientierung im digital vernetzten Zeitalter - wie denn jetzt richtig?" genau der Richtige sei. Ein Historiker schaue sich Dinge in langen Bahnen an und bewerte langandauernde Prozesse. Es gebe Entwicklungen, die zwangsläufig kommen werden und auch in ihrer Konsequenz bleiben werden, mal schneller, mal langsamer. Als Historiker könne man diese leichter kategorisieren. Es fände ein komplexer Strukturwandel statt, der durch die Corona-Pandemie beschleunigt wurde. Normalerweise dauert es 15 Jahe bis etwas Neues aktzeptiert werde. Damit etwas Neues - wie z.B. E-Mails oder Handys bzw. Smartphones - sich durchsetzen und bleiben konnten, musste eine kritische Masse an Nutzern vorhanden sein, die Neuheit musste einfacher, schneller und günstiger sein. Die Entwicklung ging vom Bereitstellen von Informationen im Netz (90er Jahre) dazu über, dass die Nutzer selbst Inhalte generieren (2004). Früher wurde gesucht und gefunden. Heute werde gesucht, gefunden, kommentiert, geliked, geteilt. Besonders im B2B seien Empfehlungen wichtig. Erwartungen werden geschürt: Was einer besonders gut gemacht habe, werde von allen anderen auch erwartet. Kunden wollen inzwischen alles überall, sie dächten nicht mehr in Kanälen, also dürften Händler dies auch nicht machen. Der stationäre Handel und der Onlinehandel seien eins. Es müsse versucht werden, durch digitale Informationen eine persönliche Beziehung zum Kunden aufzubauen. Deutschland sei allerdings wegen der Datenschutzproblematik ein recht spezieller Markt.
Philipp Moder von der Phocus direct GmbH sprach über den Wandel des Beschaffungsverhaltens im B2B-Segment. Der größte Teil der Beschaffung (bis zu 80%) finde heute ohne persönlichen Kontakt statt, dies habe gravierende Auswirkungen auf den klassischen Außendienst. Dieser verkaufe nicht mehr in erster Linie, sondern er werde durch seine persönliche Nähe zum Kunden zum Problemlöser und Übermittler an die Kollegen. Ein Unternehmen müsse sichtbar sein, müsse dort sein, wo die Kunden sind. Auch schnelle Reaktionen auf Anfragen seien wichtig, ganz zu schweigen von Freundlichkeit. Es gebe keine 2. Chance für den ersten Eindruck. Der Marketingbereich eines Unternehmens werde immer wichtiger, diese generiere den Umsatz. Um dies zu können, muss er eng mit dem Vertrieb zusammenarbeiten: Dieser wisse, was die Kunden wollen.
Zum Abschluss erfuhren die Teilnehmer von Roman Becker, wie aus Kunden echte Fans werden und wie das Unternehmen davon profitieren kann. Ein echter Fan identifiziere sich mit seinem Idol und gehe mit ihm durch dick und dünn. Es gibt eine starke emotionale Bindung. Eine solche sollte ein Unternehmen auch anstreben, um loyale Kunden zu haben. Kunden kauften keine Produkte, sondern Philosophie, einen Nutzen. Fans seien loyal und wenig preissensibel. Wer emotional gebundene Kunden habe, habe verlässliche Kunden. Unternehmen müssten sich auf ihre Stärken, ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Es komme auf jeden Mitarbeiter an, jeder habe seine Aufgabe. Wenn alle diese erfüllten, dann wirken sie wie ein Orchester. Die Musik klinge auch nur schön, wenn jeder seinen Einsatzpunkt kenne und umsetze. Mitarbeiter müssten auch Fans des Unternehmens sein, dann käme der wirtschaftliche Erfolg quasi automatisch.
Das Schlusswort sprach Thomas Glockseisen. Er fasste den Tag nochmals zusammen und fand es seien "coole" Vorträge dabei gewesen, die aus verschiedenen Perspektiven das Gleiche behandelt hätten. Klar geworden sei, dass wir mitten in einem Paradigmenwechsel steckten und nicht weiter zögern dürften. Man müsse aufpassen, nicht den Anschluss zu verlieren.
Kontakt
RA Thomas Dammann
Hauptgeschäftsführer des ZHH, Geschäftsführer des ZHH Bildungswerkes und der ZHH Dienstleistung | Mitarbeiter
Fachverband des Maschinen- und Werkzeug-Großhandels e.V.
Kurt Radermacher
Fachverband Werkzeugindustrie e.V.
Stefan Horst
ZVEI - Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V.
Maria Marinelli